2. Februar 2020

Podcast zum Thema Obdachlosigkeit

Im Dezember habe ich zusammen mit SCHØNLEIN MEDIA und nach einer Idee von Nayana Heuer einen Podcast zum Thema Obdachlosigkeit aus Sicht der Betroffenen produziert.
Insgesamt gibt es acht Folgen von etwa 30 Minuten Dauer.
In diesen erzähle ich meine Geschichte, aber auch viel allgemeines zum Thema.

Zu finden ist er auf Spotify, Deezer und allen Podcast-Plattformen sowie in Eurer Podcast-App.

Wenn Ihr wollt, hört mal rein. Hier der Link.

Lasst mir vielleicht noch einen Kommentar mit Euren Fragen oder Themen, die aus Eurer Sicht noch offen geblieben sind da. Dann können wir diese Fragen in weiteren Folgen erörtern.

André Hoek

29. Januar 2020

Meine Gedanken zur "Nacht der Solidarität"

Seit einigen Wochen und speziell in den letzten Tagen ist die geplante Zählung der Obdachlosen in Berlin, auch "Nacht der Solidarität" genannt, in aller Munde.
Was ich persönlich als grundsätzliche gute und hilfreiche Idee ansehe, ist in den letzten Tagen, zu meinem großen Erstaunen, in die Kritik geraten.
Da sind Stimmen zu vernehmen wie: "Tiere werden gezählt, Menschen muss geholfen werden" und ähnlich polemischer Unsinn.

Die Zählung dient genau diesem Zweck, nämlich den obdachlosen Menschen da draußen auf den Straßen zu helfen. Es geht nicht nur darum eine Zahl zu haben und dann weiter zu machen wie bisher.
Diese Zählung hat Modellcharakter und ist bisher einzigartig in ihrer Art in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik. Und sie ist ein wichtiges politisches Instrument.

Seit unendlich vielen Jahren benutzt die Bundespolitik das Argument, das man ja nicht genau wisse, wie viele Obdachlose es tatsächlich gäbe, deshalb könne man auch keine konkreten Maßnahmen beschließen. Und genau dieses Argument soll ihr nun endlich mit dieser Zählung genommen werden. Zumal diese Zählung praktisch als Musterbeispiel für andere Städte in Deutschland dient.
Viele Verantwortliche aus anderen Städten sind in der kommenden Nacht mit in Berlin unterwegs um diese Zählung beobachten und später auch in ihren Städten durchzuführen.
Wenn alles wie geplant und gedacht läuft, gibt es in kurzer Zeit eine bundesweite Statistik, die man dann auch in der Politik einsetzen kann. Zum Beispiel um die Bundespolitik endlich zum Handeln zu bewegen. Bisher ist dies ausschließlich Sache der Länder und Kommunen.
Mit der Erhebung dieser Zahlen können Gelder beantragt und auch Gesetzesänderungen durchgesetzt werden. Alles Dinge, die den Obdachlosen langfristig helfen werden.

Es geht auch nicht darum Obdachlose wie Vieh zu zählen.
Die Zählung der Menschen wird mit dem allergrößtem Respekt durchgeführt. Niemand wird bloßgestellt, es werden keine Lagepläne erstellt um die Obdachlosen später zu räumen oder ähnlicher Unsinn. Wer sich nicht beteiligen möchte, wird auch nicht behelligt.

Es ist absolut richtig, dass den obdachlosen Menschen konkret geholfen werden muss. Sie brauchen Wohnraum und adäquate Unterstützung um wieder in ein geregeltes Leben zurück zu finden.
Wer mich kennt weiß, dass ich mich als ehemaliger Obdachloser seit Jahren immer wieder genau dafür einsetze.
Und aus genau diesem Grund befürworte ich diese Zählung absolut!

André Hoek

24. Dezember 2019

Drei Jahre

Das kleine Zelt hinter der Bank in
der Bildmitte, war meins.
Ich sitze gerade in meiner Wohnung und denke über mein Leben nach. Und ich kann überhaupt nicht begreifen, was in den letzten drei Jahren  alles passiert ist. Manchmal denke ich, ich bin in einem schönen Traum, der Wecker klingelt gleich und ich liege wieder in meinem Zelt an der Spree, gleich unterhalb des Bundestages.

Vor drei Jahren habe ich Weihnachten dort gefeiert. Gehunfähig, im Rollstuhl und schwer alkoholkrank. Erst sechs Wochen vorher aus einem mehrwöchigem Koma erwacht. Drei Monate später hatte ich mich aufgegeben und wäre fast gestorben.

Wir waren eine Gruppe von sechs Leuten. Ra., Ch., St., El., Jo. und ich. Es gab noch ein paar bulgarische Leute, die aber immer unter sich blieben.
Wir hatten Geld zusammengelegt und Ra. hatte Kartoffelsalat gemacht. Aber keinen fertigen!
Sondern er hat auf unserem Gaskocher Kartoffeln gekocht, wir haben sie alle zusammen gepellt und er hat am Abend vorher begonnen diesen nach einem Familienrezept für uns zuzubereiten. Insgesamt waren es acht Kilo. Fast ein Wassereimer voll.
Ich hatte Glück beim Schnorren und konnte 40 Wiener-Würstchen spendieren. Irgendeiner von uns hatte unterwegs noch einen verkrüppelten Weihnachtsbaum gefunden, den wohl irgendwer nicht mehr mochte. Er brachte ihn mit unter unsere Brücke. Wir dekorierten ihn mit Lametta, setzten ein paar Plüschtiere davor und holten aus unseren Zelten ein paar Grabkerzen, welche einige von uns als Heizung benutzten. Passanten die vorbei kamen machten Fotos davon.

21. Dezember 2019

Warum Obdachlose nicht in Notunterkünfte gehen


Geschätzt leben in Berlin etwa 6.000 Menschen direkt auf der Straße. Dem gegenüber stehen zur Zeit etwa 1.100 Plätze in Notübernachtungen. Nun könnte man meinen, dass es jeden Abend großes Gerangel um diese wenigen Plätze gibt. Doch die Realität sieht so aus, dass die Auslastung nur bei etwa 70 bis 80 Prozent liegt. Mehr als etwa 5.000 Menschen entscheiden sich freiwillig dafür die Nacht lieber irgendwo im Freien zu verbringen, als in diese Unterkünfte zu gehen. Und dafür gibt es gute Gründe.

Wenn sich in der Presse Fachleute zu diesem Thema äußern, hört man oft folgende Argumente. Es gibt eben viele Obdachlose, die es nicht mehr in geschlossenen Räumen aushalten. Zudem dürfe man dort keinen Alkohol trinken und Haustiere sind ebenfalls verboten. Also alle selbst schuld.
Wenn man auf der Straße lebt braucht man ja nicht auch noch ein Haustier, psychische Befindlichkeiten könne man nicht auch noch lösen und saufen und Party machen müsse man in einer solchen Lebenssituation schließlich nicht auch noch.

Tatsächlich ist die Realität ganz anders und die immer wieder genannten Argumente sind einfach nicht stichhaltig, wenn man es genauer betrachtet. Und dies will ich im Folgenden mal machen.

30. Juni 2019

Wie kann man Obdachlosen helfen?

Bei meinen Vorträgen oder auf den Stadtführungen bei querstadtein werde ich oft gefragt, wie man Obdachlosen helfen kann.
Diese Frage möchte ich heute in einem Blogbeitrag beantworten.

Obdachlose benötigen Hilfen in vielfältiger Hinsicht. Dies reicht von Handreichungen, welche den Alltag auf der Straße erleichtern, bis hin zu Hilfen, die den Menschen draußen helfen wieder von der Straße wegzukommen. Das letztere Thema würde ich jedoch nochmal separat abhandeln, sonst wird dieser Artikel zu umfangreich.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass obdachlose Menschen so ziemlich alles benötigen, denn in der Regel haben die meisten wenig bis nichts.