14. Februar 2021

Warum ich doch weiter mache

Als am letzten Wochenende die Rummelsburger Bucht geräumt wurde, war das für mich persönlich wie ein Schlag in die Magengrube. Was mich gestört hat war nicht, dass die Obdachlosen ins Warme gebracht wurden, sondern die Art und Weise wie das geschehen war. Entgegen der offiziellen Verlautbarungen ohne jede Vorankündigung und zu einem Zeitpunkt (Freitagabend um 17.00 und aktiv gegen 00.00 in der Nacht) an dem jegliche Gegenwehr praktisch unmöglich war. Nach offizieller Darstellung sind die Leute die dort gelebt haben und welche die Fläche tatsächlich als ihr Zuhause betrachtet haben alle freiwillig und dankbar vom Platz gegangen und ein Teil habe das Angebot in Hostels zu gehen angenommen. Das dem nicht so war, könnt Ihr in dem unten stehenden Video sehen. Da haben sich die Betroffenen selbst zu der Räumung geäußert.


Auch das die Proteste gegen die Räumung als "zynisch" betrachtet wurden kann ich mir nur so erklären, dass der Sinn des Protests nicht verstanden wurde. Es ging nicht gegen die Unterbringung von Obdachlosen in Hostels (was wirklich sehr begrüßenswert ist), sondern gegen die Art und Weise wie die Rummelsburger Bucht geräumt wurde.
Zu dem Thema könnte ich jetzt noch viel schreiben, doch ich lasse das mal an dieser Stelle und ich habe das ja auf Facebook schon ziemlich ausführlich getan.

Als ich am Samstag morgen die Nachrichten las, wurde mir richtig schlecht und es gingen mir Gedanken der unterschiedlichsten Art durch den Kopf. Ein Gedanke überwog jedoch.

"Warum machst Du Dir eigentlich die ganze Mühe?"

Ich investiere große Teile meiner Freizeit und gebe wirklich große Beträge meines eigenen Geldes in die Arbeit mit den Obdachlosen. Ich steige in der Nacht ins Taxi, wenn mal wieder irgendwo ein Notfall eingetreten ist, ich bin sehr oft auf den Straßen unterwegs und versuche einzelnen Menschen zu helfen. In unterschiedlichster Art und Weise. Und ich verbringen unendlich viele Stunden meines Lebens damit mit obdachlosen Menschen zu telefonieren, wenn diese mal wieder mutlos sind oder keine Kraft mehr haben weiter zu machen. Nicht selten gehe ich da auch kräftemäßig über meine Grenzen.

Und dann passiert plötzlich so etwas wie die Räumung der Bucht. Der Schaden der dort in wenigen Stunden angerichtet wurde, ist aus meiner Sicht, der Sicht eines Helfers, wenn überhaupt, erst in vielen Monaten wieder repariert. Warum soll ich denn weiter machen, wenn ständig irgendwelchen kleinen Politiker, Polizisten oder Ordnungsamtsmitarbeiter im Machtrausch daherkommen und alles Erreichte im Handstreich wieder zunichte machen? Mein Gedanke war, dass ich dagegen nicht ankommen kann. Die sind zu mächtig und das Interesse den Obdachlosen wirklich nachhaltig zu helfen ist, bis auf wenige Ausnahmen, auch eher marginal bis überhaupt nicht vorhanden.
Hinzu kommen noch die ganzen Organisationen der Berliner Armutsindustrie. Diese spielen sich vor der Öffentlichkeit zwar immer wieder als Helfer der Obdachlosen auf, haben aber tatsächlich in der Regel nur das Wohlergehen ihrer eigenen Orgas im Blick. Leider gelingt es diesen Gruppen immer wieder, sich bei den Mächtigen wichtig zu machen. Und sie gewinnen auf diese Weise auch Einfluss, den sie natürlich auch benutzen. Allerdings nicht zum Wohle der Obdachlosen, sondern eben auch, um Leute wie mich anzugreifen, zu diffamieren oder auch verächtlich zu machen. 
Das Geschäft mit der Armut ist sehr lukrativ und Menschen wie ich sind dann natürlich deutlich mehr als ein Störfaktor. Besonders dann, wenn es jemanden wie mir gelungen ist, sich eine Stimme zu verschaffen.  Ich will mich jetzt nicht mit Gandhi vergleichen, aber dieser hat mal folgendes gesagt:

"Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du."

Nach meinem Dafürhalten ist jetzt die Phase des Bekämpfens eingetreten. Das ist der erste Grund, warum ich nicht aufhören werde. 

Der Hauptgrund aber, warum ich weiter mache, sind die Menschen die auf der Straße leben. Ich fühle mich zutiefst verbunden mit diesen Leuten. Natürlich auch bedingt durch meine eigene Biografie. Ich KANN diese einfach nicht im Stich lassen und ich werde dies auch nicht tun! Sie brauchen Menschen wie mich. Leute wie ich (und ich stehe in einer Reihe von vielen anderen Menschen mit dem gleichen Ziel) retten Leben da draußen. Wir machen die obdachlosen Menschen sichtbar für andere und wir helfen ihnen, ihre Anliegen und Bedürfnisse an die Öffentlichkeit zu bringen.
Ich kann und darf nicht aufhören.
Es geht also weiter, wenn auch in veränderter Form.

Meine Hoffnung war bisher, die Politik durch Einsicht zum Handeln zu bewegen. Ich hielt Vorträge und machte Öffentlichkeitsarbeit um darzustellen wie das Leben auf der Straße wirklich ist und warum man wie helfen müsste. Dieses Engagement hatte nur sehr bedingt Erfolg, da die Politik sich am Ende nur mit ihren eigenen Lieblingen umgibt und diese auch (finanziell) hofiert und weil die Politik eben doch immer das macht, was den Interessen anderer, aber nicht den Obdachlosen dient. Wenn es ihr eben gerade in den Kram passt. (Ganz wenige Ausnahmen bestätigen hier die Regel).

Wenn es mit Überzeugungsarbeit nicht funktioniert, dann eben mit massiven, öffentlichem Druck. So einfach ist das.
Meine Strategie ändert sich nun wie folgt.
Weil ich regelmäßig auf den Straßen unterwegs bin und dadurch natürlich, sehr viel von dem erfahre was in der Obdachlosenarbeit den Medien berichtet wird und das was tatsächlich stattfindet, werde ich Zukunft jede Diskrepanz sehr öffentlich behandeln.
Natürlich wird dies jede Menge Aufregung verursachen und es wird für mich eine Menge Ärger bedeuten. 
Aber wisst Ihr was? Ich liebe diesen Stress! 
Sie kommen mit Anwälten? Die habe ich auch. Sie Verleumden mich, dann mache ich ihre Handlungen nur mit noch größerer Intensität öffentlich. 
Und ich bin nicht allein. Wie oben schon geschrieben, stehe ich in einer Reihe von sehr guten Leuten, die gleiche Ziele wie ich verfolgen. Nämlich den Obdachlosen wirklich nachhaltig von der Straße zu helfen und die es, genau wie ich, satt haben, immer wieder nur Almosen zu verteilen. Auf die Hilfe und Unterstützung dieser Leute baue ich und ich werde meinen Teil zum Gelingen Ihrer Unternehmungen beitragen.
Lasst uns das gemeinsam schaffen. Ich allein kann das nicht.

Ich bedanke mich zudem bei allen Menschen, die mir in der letzten Woche viel Zuspruch gegeben haben. Tatsächlich war mir überhaupt nicht klar, für wie wichtig Ihr alle meine Arbeit haltet. Das hat mir sehr geholfen.

André Hoek

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