Sonntag, 14. Februar 2021

Warum ich doch weiter mache

Als am letzten Wochenende die Rummelsburger Bucht geräumt wurde, war das für mich persönlich wie ein Schlag in die Magengrube. Was mich gestört hat war nicht, dass die Obdachlosen ins Warme gebracht wurden, sondern die Art und Weise wie das geschehen war. Entgegen der offiziellen Verlautbarungen ohne jede Vorankündigung und zu einem Zeitpunkt (Freitagabend um 17.00 und aktiv gegen 00.00 in der Nacht) an dem jegliche Gegenwehr praktisch unmöglich war. Nach offizieller Darstellung sind die Leute die dort gelebt haben und welche die Fläche tatsächlich als ihr Zuhause betrachtet haben alle freiwillig und dankbar vom Platz gegangen und ein Teil habe das Angebot in Hostels zu gehen angenommen. Das dem nicht so war, könnt Ihr in dem unten stehenden Video sehen. Da haben sich die Betroffenen selbst zu der Räumung geäußert.


Auch das die Proteste gegen die Räumung als "zynisch" betrachtet wurden kann ich mir nur so erklären, dass der Sinn des Protests nicht verstanden wurde. Es ging nicht gegen die Unterbringung von Obdachlosen in Hostels (was wirklich sehr begrüßenswert ist), sondern gegen die Art und Weise wie die Rummelsburger Bucht geräumt wurde.

Sonntag, 17. Januar 2021

Buchempfehlung - Der Sandler

Der Sandler
Ich habe längere Zeit als Obdachloser auf den Straßen Berlins gelebt. Mir ist es, als einer von wenigen, gelungen, den Weg zurück in ein normales Leben zu finden. Heute helfe ich Obdachlosen auf vielfältige Weise. 

Als Markus Ostermair mich bat mir sein Buch “Der Sandler” zum lesen schicken zu dürfen, hatte ich ganz ehrlich keine Lust dazu und sagte mehr aus Höflichkeit zu. Mein Verdacht war, dass wieder jemand, der mal einen oberflächlichen Blick auf Obdachlose geworfen hat, nun meint das Thema zu kennen und sich nun bemüssigt fühlt ein Buch darüber zu schreiben. 

Umso mehr war ich überrascht, als ich das erste Viertel des Buches gelesen hatte. Ich war aufgewühlt und ich fühlte mich nicht gut. Markus Ostermair war es auf diesen wenigen Seiten gelungen, dass ich mich wieder emotional als Obdachloser fühlte. Es war wie damals, als ich meine Tage in ewiger Tristesse, in ständiger Gefahr, alkoholabhängig, bitter arm und voller Ängste auf der Straße verbrachte. Die kleinen Erfolge und Fortschritte die man manchmal erreicht hatte, waren in ständiger Gefahr im nächsten Moment wieder verlustig zu gehen. 

Bei meinen Vorträgen über Obdachlosigkeit versuche ich ständig, genau diese Gemengelage von Gefühlen an meine Zuhörer zu vermitteln. Es ist mir, im Vergleich zu Markus Ostermair, immer nur sehr rudimentär gelungen. Und dies obwohl ich das Leben auf der Straße aus erster Hand kenne. Auch aus literarischer Sicht, ist dieses Buch extrem gut gelungen. 

Wer wissen möchte wie sich der Lebensalltag eines obdachlosen Menschen anfühlt, dem sei das Buch “Der Sandler” wärmstens anempfohlen. 

Samstag, 26. Dezember 2020

Projekt-X - Obdachlosen helfen

 

Obdachlosen helfen - Projekt-X
Projekt-X - Hilfe für Obdachlose
Bei meinen Vorträgen werde ich immer wieder gefragt, wie man den obdachlosen Menschen auf der Straße helfen kann. Ich kann dann wegen der Komplexität der Antwort immer nur wenige Ratschläge geben. Deswegen kam ich auf die Idee, eine Webseite zu dem Thema ins Internet zu stellen.

Wenn es um Hilfe für Obdachlose geht, denken die meisten Menschen daran, Schlafsäcke und warme Mahlzeiten zu verteilen oder meistens sehr unwürdige Notschlafplätze zur Verfügung zu stellen. Eventuell noch daran, zwei Euro in den Becher eines bettelnden Obdachlosen zu werfen. So gut wie diese Aktionen auch gemeint sind, sie ändern nichts an dem Grundproblem. Die Obdachlosen leben und sterben weiterhin auf der Straße.

Um dieses Problem zu ändern, muss man neue Wege gehen. Statt wie bisher Almosen zu verteilen, muss darum gehen, die obdachlosen Leute konsequent von der Straße herunter zu holen und ihnen zu helfen, wieder den Weg in ein normales Leben zu finden. Mit eigener Wohnung und einem Arbeitsplatz, sofern dies möglich und gewünscht ist. Nun behandelt die Bundespolitik das Problem schon seit vielen Jahren mit konsequenter Gleichgültigkeit. Lediglich auf Landesebene und in den Kommunen beginnt sich seit einiger Zeit etwas in diese Richtung zu verändern. Besonders Berlin und Hamburg sind hier als sehr vorbildlich zu nennen. Allerdings fehlt es Letztgenannten sehr oft an den finanziellen Möglichkeiten.

Also muss man neue Wege gehen. Sehr viele Menschen wollen etwas für Obdachlose machen. Und hier setzt das "Projekt-X" an. Helfer finden sich in Kleingruppen von drei bis fünf Leuten zusammen und holen die Obdachlosen an Hand von funktionierenden Vorgehensweisen von der Straße. Genaue Anleitungen findet man auf der Webseite. Zusätzlich steht ein Forum zur Vernetzung zur Verfügung und mit einem Chat oder per Telefon kann man sich Rat holen, wenn es mal schnell gehen muss. Die Vorgehensweise ist bewährt, da es genau der Weg war, den ich genommen habe um von der Straße wieder in ein geordnetes Leben zu kommen. Diesen Weg bin ich schon mit vielen Obdachlosen gegangen und konnte sie damit von der Straße retten.

Meldet Euch im Forum auf der Seite an und macht mit!

Projekt-X

Sonntag, 22. November 2020

Horst - Die unendliche Geschichte...

Horst vor ein paar Tagen vor
dem Berliner HBF

 ...oder das Totalversagen des Hilfesystems.

Ich hatte schon mehrfach über Horst berichtet. Meinen ersten Bericht findet Ihr hier. Damals wurde Horst in der Nacht von einer Gruppe Jugendlicher überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt. 
Etwas später von der Berliner Stadtmission, aufgrund fehlender Kostenübernahmen aus einem Übergangshaus einfach wieder auf die Straße geworfen. Mein damaliger Bericht ist hier zu finden. Menschlichkeit und Verständnis ist dort wohl eher nicht zu finden. Trotz aller permanent propagierten, christlichen Werte.

Ich persönlich habe dort Gleiches erlebt.
Mitten im Winter wurde ich schwer krank und im Rollstuhl sitzend von Heute auf Morgen dort raus geworfen. Drei Tage später wäre ich am Hauptbahnhof fast erfroren. Als man mich fand, hatte ich nur noch 29°C Körpertemperatur!
Und es gibt sehr viele Berichte dieser Art. Das Verhalten dieser Leute ist also programmatisch und leider kein Einzelfall.

Und die Geschichte geht weiter.
Horst hat den Sommer auf der Straße verbracht und wurde in dieser Zeit lediglich durch andere Obdachlose unterstützt.
Gestern rief mich ein ehemaliger Obdachloser an und berichtete mir Folgendes.
Horst hat körperlich und psychisch extrem abgebaut. Zudem ist er vermutlich altersdement. Er braucht Hilfe, wenn er zur Toilette möchte und ist kaum noch in der Lage sich selbst bei nur einfachsten Dingen zu helfen.

Sonntag, 5. April 2020

"Zehn Euro für jeden Obdachlosen" - Was meine Helferinnen dazu schreiben

Jenny und Nina
Gestern war ich mit Jenny und Nina Goos unterwegs um Eure Spenden an die obdachlosen Menschen in Berlin zu verteilen.
Wir hatte uns früh am Morgen getroffen, vorher Geld zusammen gelegt und dann 80 Brötchen mit jeweils Käse, Wurst und einem Salatblatt zu belegen. Zusätzlich haben wir noch Eier hart gekocht.
Gegen 11.00 Uhr machten wir uns auf dem Weg und übergaben den Obdachlosen einen Zehn-Euro-Schein, zwei lecker belegte Brötchen und ein hartgekochtes Ei.
Die Menschen da draußen haben sich unglaublich gefreut. Nach meinem Dafürhalten fast mehr über meine sehr charmanten Begleiterinnen als über die Spenden...:-)
Alles in Allem war es eine sehr gelungene Aktion.
Am Ende bat ich die Beiden mir einen Artikel über ihre Eindrücke zu schreiben. Hier nun ihre Berichte.