24. Dezember 2019

Drei Jahre

Das kleine Zelt hinter der Bank in
der Bildmitte, war meins.
Ich sitze gerade in meiner Wohnung und denke über mein Leben nach. Und ich kann überhaupt nicht begreifen, was in den letzten drei Jahren  alles passiert ist. Manchmal denke ich, ich bin in einem schönen Traum, der Wecker klingelt gleich und ich liege wieder in meinem Zelt an der Spree, gleich unterhalb des Bundestages.

Vor drei Jahren habe ich Weihnachten dort gefeiert. Gehunfähig, im Rollstuhl und schwer alkoholkrank. Erst sechs Wochen vorher aus einem mehrwöchigem Koma erwacht. Drei Monate später hatte ich mich aufgegeben und wäre fast gestorben.

Wir waren eine Gruppe von sechs Leuten. Ra., Ch., St., El., Jo. und ich. Es gab noch ein paar bulgarische Leute, die aber immer unter sich blieben.
Wir hatten Geld zusammengelegt und Ra. hatte Kartoffelsalat gemacht. Aber keinen fertigen!
Sondern er hat auf unserem Gaskocher Kartoffeln gekocht, wir haben sie alle zusammen gepellt und er hat am Abend vorher begonnen diesen nach einem Familienrezept für uns zuzubereiten. Insgesamt waren es acht Kilo. Fast ein Wassereimer voll.
Ich hatte Glück beim Schnorren und konnte 40 Wiener-Würstchen spendieren. Irgendeiner von uns hatte unterwegs noch einen verkrüppelten Weihnachtsbaum gefunden, den wohl irgendwer nicht mehr mochte. Er brachte ihn mit unter unsere Brücke. Wir dekorierten ihn mit Lametta, setzten ein paar Plüschtiere davor und holten aus unseren Zelten ein paar Grabkerzen, welche einige von uns als Heizung benutzten. Passanten die vorbei kamen machten Fotos davon.

30. Juni 2019

Wie kann man Obdachlosen helfen?

Bei meinen Vorträgen oder auf den Stadtführungen bei querstadtein werde ich oft gefragt, wie man Obdachlosen helfen kann.
Diese Frage möchte ich heute in einem Blogbeitrag beantworten.

Obdachlose benötigen Hilfen in vielfältiger Hinsicht. Dies reicht von Handreichungen, welche den Alltag auf der Straße erleichtern, bis hin zu Hilfen, die den Menschen draußen helfen wieder von der Straße wegzukommen. Das letztere Thema würde ich jedoch nochmal separat abhandeln, sonst wird dieser Artikel zu umfangreich.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass obdachlose Menschen so ziemlich alles benötigen, denn in der Regel haben die meisten wenig bis nichts.

28. Juni 2019

Obdachlosigkeit und Sucht

Obdachlosen gebe ich kein Geld! Die versaufen dass ja sowieso nur!

So und ähnlicher Form äußern sich viele Menschen, nachdem sie von einem obdachlosen Menschen um Geld gebeten wurden. Vor allem wenn dieser noch eine deutliche Alkoholfahne vor sich her getragen hat.
Zum einen ist dies für viele ein gutes Argument um Obdachlosen nichts zu geben und zum anderen trifft dies wirklich zu!
Ja, viele Obdachlose geben einen Teil ihres Geldes für Alkohol und zu einem geringeren Teil auch für andere Drogen aus.

Doch warum ist dies so?
Die einfachste, jedoch in den meisten Fällen nicht zutreffende, Antwort ist, dass Obdachlose wegen ihres Alkoholkonsums auf der Straße gelandet sind.
Aber, wie bereits angedeutet, trifft dies nicht auf alle zu. Natürlich gibt es den klassischen "Loosertyp". Keinen Schulabschluss, nie einen richtigen Beruf gelernt und schon in jungen Jahren mit diversen Suchtmitteln in Kontakt gekommen. Am Ende der klassischen Suchtkarriere steht dann natürlich die Obdachlosigkeit.
Doch viele obdachlose Menschen hatten vor ihrem tristen Dasein auf der Straße ein ganz normales Leben und sind erst draußen süchtig geworden.

9. Juni 2019

Wie geht es weiter mit mir?

Die letzten Wochen und Monate meines Lebens waren, wie fast immer, sehr aufregend.
Es sind wieder mal einige Stürme an mir vorbei und über mich hinweg gezogen. Doch solche Gewitter können sowohl Schaden anrichten, als auch sehr heilsam sein und eine Orientierung in eine neue Richtung möglich machen.
Der angerichtete Schaden beschränkte sich weitestgehend auf meine eigene Person, allerdings waren auch andere Menschen betroffen, bei diesen bitte ich um Entschuldigung und falls der Schaden wiedergutmachungswürdig ist, meldet euch bitte bei mir und gebt mir die Chance, mich wieder zu einem ehrlichen Menschen zu machen.

Ich musste in den letzten Wochen meine Pläne für die Zukunft ziemlich gravierend überdenken und auch ändern.
Bisher stand ich vielen Dingen, die im aktuellen Hilfesystem geschehen, ziemlich ablehnend gegenüber. Dies hat sich auch nicht verändert.
Doch statt wie bisher lediglich auf die Missstände hinzuweisen und gegen diese vorzugehen, habe ich beschlossen, es einfach besser zu machen. Ich habe verstanden, dass es nichts bringt, permanent nur anti zu sein. Ein solches Verhalten vergeudet zu viele Energien, zerstört Freundschaften und bringt die ganze Sache nicht einen Schritt nach vorn.

Ich habe ebenfalls verstanden, dass es für mich im Berliner Hilfesystem keinen Platz bzw keine Festanstellung geben wird.
Das meine fehlende Ausbildung zum Sozialarbeiter dabei ausschlaggebend ist, kann ich nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Da dies aber immer wieder genannt wird, muss ich dies akzeptieren.

30. Mai 2019

Ich bin wieder da!

Phoenix
Der Phoenix, der nach 100 Jahren verbrennt und schöner und strahlender aus seiner eigenen Asche wieder aufersteht, ist irgendwie ein Bild für mein eigenes Leben.
Irgendwie schaffe ich es, mein Leben immer wieder auf den absoluten Nullpunkt zu führen um dann mit neuen Einsichten und Erkenntnissen wieder ins Leben zurück zu kehren.

Die letzten Wochen und Monate meines Lebens waren ziemlich aufregend und anstrengend. Ich habe viel erlebt, musste einiges aushalten, habe tolle und weniger gute Menschen kennengelernt und habe mir selbst schlimme Dinge angetan.
Doch wie immer im Leben ist bei viel Schatten auch viel Licht.
Diese Zeit hat etwas mit mir gemacht, mich verändert. Ziemlich stark sogar.
Ich habe einige Sichtweisen revidiert, neue hinzubekommen und auch viele meiner Vorgehensweisen genauer betrachtet.

5. April 2019

Ich bin dann mal weg...

Um es kurz zu sagen, ich gebe auf, steige aus dem System aus und gehe wieder raus auf die Straße.

Warum?
Ich hatte vor, etwas zu verändern. Sichtweisen und Handlungsweisen.
Heute muss ich bitter erkennen, dass ich nichts verändern kann. Die Gründe dafür sind vielfältig. In erster Linie liegt es daran, dass kaum jemand etwas verändern will.

Ich habe ziemlich einzigartige Erfahrungen machen können und habe einige Dinge mit äußerster Intensität erfahren. Auch der Weg den ich zurückgelegt habe, hat mir geholfen ein außerordentlich tiefes Verständnis für die Probleme der Obdachlosen zu entwickeln. Natürlich weiß ich in einigen Fällen auch die Lösungen bzw. kann entscheiden ob etwas sinnvoll oder -los ist.
Dumm ist nur, dass dies kaum jemanden interessiert.
Die Leute hören mir zwar zu, finden in der Regel auch gut, was ich sage, aber dann geht es unbeeindruckt im gewohnten Trott weiter.

3. April 2019

Neue Probleme mit dem Jobcenter

Nun habe ich ja im letzten Monat meinen Job als Streetworker verloren. Ein neuer ist frühestens im Juni in Sicht. Also musste ich mich wieder beim Jobcenter anmelden.
Diejenigen die dies auch schon mal mussten, brauchen an dieser Stelle nicht weiter lesen, Ihr wisst, was kommt...

Ende Februar stellte ich den Antrag auf ALG-II.
Mitte März kam Post vom Jobcenter. Ich dachte es wäre der Bewilligungsbescheid, doch es war nur eine weitere Forderung nach neuen Unterlagen. Vor Erhalt dieser, könne man meinen Antrag natürlich nicht bearbeiten.
Nun müsste man Anträge dieser Art innerhalb von zehn Tagen entscheiden, schafft es aber mit solchen Mitteln die Bearbeitungsdauer mal eben auf ein paar Wochen zu strecken. Beschwert man sich, heißt es, dass ja noch Unterlagen gefehlt haben.
Warum fordert man die denn nicht gleich bei der Antragstellung?

8. März 2019

Vortrag über Obdachlosigkeit

Ich war vor einigen Wochen zu einem Vortrag zum Thema Obdachlosigkeit in Fürstenwalde. Die jungen Leute haben alles aufgezeichnet und auf Youtube veröffentlicht.
Mein großer Dank für das Aufnehmen und Schneiden geht an Adrian Daum und Julian Schmidt Diaz.


Hier der Link zum Originalbeitrag: https://youtu.be/NfWO_XBIk0I

22. Februar 2019

Meine Erlebnisse bei Karuna

Ach, dass fühlte sich so toll an.
Endlich wieder eine richtige Arbeit und dann noch mein Traumjob!
Diese und ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich Ende November von Karuna das Angebot bekam als Streetworker zu arbeiten.
Endlich mit voller Energie den obdachlosen Menschen da draußen helfen und eine große Organisation im Hintergrund.
Leider endete dieser Traum ganz anders als von mir angenommen.

Da ich jetzt gleich einiges Negative über Karuna sagen muss, möchte ich doch festhalten, dass die folgend geschilderten Ereignisse nicht Karuna als Ganzes betreffen, sondern mehr auf die Person meines Chefs und zwei seiner engen Mitstreiter zutreffen.
Ebenso leistet Karuna zum Beispiel mit den Momos eine ausgesprochen gute und bewunderungswürdige Arbeit.

700 Euro weniger Gehalt
Es begann mit dem Gehalt.

19. Januar 2019

Meine Geschichte

Ich werde, besonders in den letzten Monaten, immer wieder gebeten meine Geschichten zu erzählen. Das wird ein bisschen anstrengend mit der Zeit.
Deswegen verlinke ich hier einen Artikel von Katrin Blum, der am 24.12.2018 im Tagesspiegel erschienen ist. Ihm habe ich meine ganze Geschichte über zwei Stunden lang erzählt und er hat es in seinem Artikel ziemlich gut zusammengefasst.
Nehmt Euch einen Kaffee. Ist ein bisschen länger.... :-)