5. April 2019

Ich bin dann mal weg...

Um es kurz zu sagen, ich gebe auf, steige aus dem System aus und gehe wieder raus auf die Straße.

Warum?
Ich hatte vor, etwas zu verändern. Sichtweisen und Handlungsweisen.
Heute muss ich bitter erkennen, dass ich nichts verändern kann. Die Gründe dafür sind vielfältig. In erster Linie liegt es daran, dass kaum jemand etwas verändern will.

Ich habe ziemlich einzigartige Erfahrungen machen können und habe einige Dinge mit äußerster Intensität erfahren. Auch der Weg den ich zurückgelegt habe, hat mir geholfen ein außerordentlich tiefes Verständnis für die Probleme der Obdachlosen zu entwickeln. Natürlich weiß ich in einigen Fällen auch die Lösungen bzw. kann entscheiden ob etwas sinnvoll oder -los ist.
Dumm ist nur, dass dies kaum jemanden interessiert.
Die Leute hören mir zwar zu, finden in der Regel auch gut, was ich sage, aber dann geht es unbeeindruckt im gewohnten Trott weiter.

Der Fehler liegt auch darin, dass wir uns mit der Obdachlosigkeit abgefunden haben und diese mehr oder weniger nur noch verwalten.
Fast niemand geht generalstabsmäßig an die Aufgabe, die obdachlosen Menschen konsequent von der Straße zu holen und ihnen die reelle Möglichkeit zu geben, wieder in ein geordnetes Leben nach ihren Vorstellungen zu gelangen.
Stattdessen schenken wir Tee aus und verteilen Schlafsäcke...

Dieser grundsätzliche Denkfehler hängt in so vielen Köpfen...
Als mir dies klar wurde, kam mir allein der Versuch dies ändern zu wollen, extrem absurd vor.
Wie konnte ich nur auf eine so dumme Idee kommen?

Als ich selbst versuchte etwas zu ändern, hat es mich am Ende meine Arbeit gekostet und ich darf mich wieder mit dem Jobcenter herumärgern.
Und genau der letzte Aspekt ist der Tropfen, der das Fass voll gemacht hat.

Ich habe, als ich von der Straße kam, extrem schlimme Erfahrungen mit dem Jobcenter gemacht. (Wie froh war ich, endlich wieder Arbeit zu haben)
Kaum das ich wieder dort bin, geht es genauso los wie es damals geendet hat.
Falsche Bearbeitung von Papieren, arrogante und schnippische Mitarbeiter, Psychoterror, ständige Sorge und Ungewissheit, nie jemand für Fehlverhalten zuständig und natürlich auch diese ekelhafte Hartz4-Armut.

Nein, dem setze ich mich nicht nochmal aus!
Das ist es mir nicht wert. Ich hätte gern wieder ein normales Leben gehabt, aber nicht nochmal um diesen Preis.
Ich werde mich vom Amt abmelden, meine Wohnung aufgeben und wieder unabhängig und frei auf der Straße leben.

Und auch, wenn mir jetzt vielleicht einige Leute böse sind, ich schreibe auch dies noch auf.
Warum hat man mich nicht einfach in der Obdachlosen-Arbeit arbeiten lassen?
Einfach einen Job von dem ich vernünftig leben kann?
Ich habe mich so sehr für die Gesellschaft eingesetzt (60-Stunden-Wochen über viele, viele Monate. Ohne Bezahlung)
Warum lässt man mich nicht tun, was ich so gern machen würde? Und was ich auch noch richtig gut kann!
Doch es ist ja auch schließlich nicht ganz einfach mit mir. Formal bin ich ja tatsächlich kein Sozialarbeiter. Dementsprechend sahen auch die Jobangebote der Vergangenheit aus. Meist 100 oder 150 Euro über dem ALG-II-Satz...
Aber genug gemeckert...

Ich passe ganz einfach nicht in dieses System. Dafür gibt es einige Gründe. Jeder erneute Versuch wird genauso scheitern, wie alle anderen Versuche auch, die ich früher in meinem Leben in diese Richtung unternommen habe. Ich funktioniere anders. Die Menschen können damit nicht umgehen und ich kann es nicht ändern.
Vor kurzer Zeit hatte ich wirklich große Sorgen und brauchte jemanden zum Reden. Trotzdem ich 300 Nummern im Telefon gespeichert habe, wusste ich nicht, wen ich anrufen kann.
Ich bin also allein, egal wo ich gerade bin.

So, liebe Leute.
Seid mir nicht böse. Dies war mein Versuch, jetzt bin ich wieder weg.
Ich bedanke mich nochmal bei allen, die mir auf meinem Weg geholfen haben! Eure Mühe war trotzdem nicht umsonst...😉

So lange es mir möglich ist, werde ich diesen Blog weiter führen und Diejenigen, die es interessiert wie es mit mir weiter geht, auf dem Laufenden halten.
Auch auf facebook werde ich mich so oft wie möglich melden.

Es grüßt Euch

André

7 Kommentare:

  1. Hallo André,
    ich verstehe dich gut und ich kenne das Gefühl wenn man für eine Sache brennt und am Ende sprichwörtlich ausgebrannt ist. Aber du ziehst die falsche Schlussfolgerung. Dein Kämpfen und Streben hat dir doch gezeigt wie viel Energie du hast, wie viel möglich ist wenn du dich reinhängst und das die Leute dir alle bestätigen, dass du auf dem richtigen Pfad bist. Selbst wenn du nie wieder in diesem Bereich tätig sein solltest, hast du alle Werkzeuge in der Hand gehabt um eine beliebige Idee Erfolg haben zu lassen. Lass deinen Visionen freien Lauf. Du hast mehr als genug Verbündete die dich unterstützen würden.
    Matürlich ist es immer schwer Dinge zu ändern und noch schwerer wenn man gegen so eingefahrene Windmühlen kämpft du es getan hast.
    Aber die Menschen haben gerade erst begonnen deine Stimme wahrzunehmen. Deine Reise ist nicht am Ende.
    Im Gegenteil, sie hat gerade erst begonnen. Geh weiter! Geh vorwärts. Die Zukunft liegt noch vor- nicht hinter dir.
    Du bist die Stimme der Hoffnung! Für sehr viele Menschen bist du ein großes Vorbild. Du bist der Einzige der sich jemals so konsequent auf den Weg gemacht hat etwas für Obdachlose zu verändern.
    Geh weiter, sei mutig, bleib dran. Klopf an alte und an neue Türen.
    Nutze dein Netzwerk, die Sympathien die man dir entgegen bringt und forme etwas Großes, ich weiss du kannst es! Jeder der sich nur fünf Minuten mit dir unterhält merkt das du großes Potential hast. Nutze es! Und lass dich nicht unterkriegen (!), weder von den ewig Gestrigen noch denen die selbst bloß unglückliche arme Seelen sind und bloß aus der Laune des Schicksals heraus jetzt über dich bestimmen sollen.
    André, geh (!), aber geh nach vorne! Wir warten auf dich, denn wir brauchen genau dich!!

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    1. Genau richtig beschrieben.

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    2. In meinem Leben wurden mir schon oft nette Sachen gesagt, aber Deine Zeilen haben mir wirklich neuen Mut gemacht.
      Danke!

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  2. Lieber André,

    Deine Verzweiflung und Wut ist nachvollziehbar, aber der Weg zurück auf die Straße wird nichts verbessern. Nicht für Dich und nicht für die, denen du dann nicht mehr in der Form helfen kannst, wie du es die letzten Wochen und Monaten getan hast. Natürlich ist es undankbar für die Arbeit nicht oder sehr schlecht entlohnt zu werden. Es ist Quatsch, was ich jetzt sage, weil du davon nicht leben kannst, aber der Dank der vielen Leute, denen du das Leben erträglicher machst, denen du eine Stimme gibst und dadurch etwas Hoffnung, die Menschen (mich eingeschlossen), die du für das Thema Obdachlosigkeit sensibilisiert hast, das alles ist ein riesiger Lohn für all deine Mühen, auch wenn du davon deine Miete nicht bezahlen kannst.. du hast in dem, was du tust, nicht nur einen Beruf, sondern folgst einer Berufung. Und das ist ein Geschenk, weil du Sinn in deinem Leben hast. Das haben die meisten Leute nicht und darüber tröstet ein ordentliches Einkommen hinweg, es macht aber nicht zwingend glücklich.

    Deshalb mein Appell: ertrage die verbitterten Bürokraten und lasse sie nicht gewinnen. Wenn sie dich damit klein kriegen, ist deine Stimme verstummt. Und damit auch die aller Obdachloser, die nicht in der Lage sind für ihre Belange einzutreten.

    Ich hoffe du änderst deine Entscheidung noch. Deine Hilfe wird gebraucht und dein Kampf ist in dem Moment nicht umsonst, wo du auch nur einem einzigen Menschen helfen konntest oder auch nur einen einzigen Menschen für ein Thema sensibilisieren konntest, der beim nächsten mal nicht wegsieht, wenn er einen Obdachlosen sieht. Und hier sitze ich und kann behaupten, dass du das bei mir geschafft hast. Mach weiter!

    Liebe Grüße
    Moritz

    * Zur Einordnung, falls du dich nicht an meinen Vornamen erinnerst: Ich war vor zwei Wochen zusammen mit Steffen, Micha, Ratte und Koko mit Dir unterwegs und ohne dich hätte auch das Projekt nicht stattfinden können.

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    1. Natürlich erinnere ich mich an Dich... :-)
      Danke für Deine lieben Worte! Hilft....

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  3. Lieber André,

    ich schreibe hier nun das dritte mal, da mein Text jedes mal verschwand als ich auf Vorschau gedrückt habe. Mir ist es allerdings wichtig, dass du weißt, dass mir dein Wohl, obwohl wir uns nicht kennen am Herzen liegt. Ich durfte dich und deine Truppe beim RZE-Treffen kennen lernen. Da ich ein wenig zu spät kam und nur stiller Beobachter war kannst du dich wahrscheinlich nicht an mich erinnern. Ich war der Blonde mit Brille, der in der Nähe der Tür saß. Das zu mir.

    Uns wurde durch die RZE-Gruppe von deinem Vorhaben berichtet. Es ist schade zu hören, dass das System wieder einmal einen großartigen Mann in die Knie gezwungen hat. Allerdings heißt es nicht, dass du nicht wieder aufstehen kannst!

    Denn ich möchte etwas in meiner kleinen Welt bewegen und es hat mich ermutigt, als ich von euch erfahren habe. Denn wie oft hört man von Menschen, dass sie nicht mögen was sie tun oder es keinen größeren Nutzen hat. Bei deinem Vorhaben ist das was ganz anderes. Wir haben uns nur einmal getroffen und ich habe nur wenig von euch gelesen und trotzdem bewegt es mich. Ich kann mir wahrscheinlich nicht mal ausmalen, was du für andere Personen getan hast und wie dankbar sie dir sind.
    Ob du dir das zu Herzen nimmst was ich dir schreibe liegt natürlich nur bei dir. Wo ich dich allerdings drum bitte ist dir vorzustellen wie es ist, wenn euer Projekt größer und bekannter geworden wäre. Wie viele Menschen hätten davon profitiert? Was hättest du selbst davon? Was hätte die Nachwelt davon? Daher bitte ich dich nochmals, nach einer Pause die du dir sicherlich verdient hast, das System nicht gewinnen zu lassen. Man sagt, der Klügere gibt nach. Wohin hat es uns geführt? Genau da wo wir grade stehen. Zu nem Haufen Idioten an der Spitze. Wir können zusammen noch etwas verändern. Vorallem du!

    Herzlichste Grüße

    Kunze

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  4. Ganz ehrlich..., ich wusste nicht, dass ich eine solche Außenwirkung habe...
    Ich bin heute sehr müde, deswegen nur in aller Kürze.
    Danke für Deine lieben und aufbauenden Worte. Hat wirklich gut getan.

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