18. November 2023

Ich bin Asperger-Autist

Wenn ich früher etwas von Autismus hörte, hatte ich Leute wie Dustin Hoffman in dem Film "Rain Man" vor Augen, der eine der Hauptrollen in diesem Film spielte. Der Raymond genannte Autist konnte beim Black Jack Karten zählen und verhalf seinem etwas zwielichtigem Bruder zu einer neuen Einnahmequelle. Ansonsten war er kaum allein lebensfähig. Ich hatte also Leute mit einer ziemlich schweren geistigen Behinderung vor Augen.

Es ist jetzt etwa ein Jahr her, dass bei mir nach dem ansehen eines Videos auf Youtube der Verdacht aufkam, dass ich auch Autist sein könnte. Ich recherchierte in den nächsten Monaten extrem viel zu diesem Thema und mein Verdacht erhärtete sich immer mehr. 
Heute bin ich diagnostiziert und weiß es sicher.
Wer den oben genannten Film und mich persönlich kennt, wird zwischen dem Raymond und mir nur sehr begrenzte Ähnlichkeiten feststellen können. Die Erklärung dafür liegt darin, dass es verschiedene Arten von Autismus gibt. Der Raymond aus dem Film wurde früher als Kanner-Autist bezeichnet, während Leute wie ich Asperger Autisten genannt werden. Oder besser gesagt wurden. Im neuen ICD-11 (der Bibel für medizinische Störungen und Krankheiten) wird von einer Autismus-Spektrums-Störung (ASS) gesprochen.
Stark vereinfacht dargestellt kann man sich das ungefähr so vorstellen, als wenn unser Raymond sich ganz rechts im Spektrum befindet, während Leute wie ich eher auf der ganz linken Seite zu verorten sind. Mich kann man also als hochfunktionalen Autisten bezeichnen. Manche nennen es auch eine leichte Form von Autismus, was aber nicht stimmt. Autisten wie ich können sich aufgrund fehlender Intelligenzminderung sehr gut anpassen, was aber auch wieder nicht auf alle Autisten zutrifft. Dadurch falle ich kaum auf, aber mein Leben ist sehr, sehr anstrengend und manchmal kaum meisterbar. Es ist, als wenn man die ganze Zeit gegen seine eigentliche Natur lebt. Also in etwa so, wie in der Geschichte vom hässlichen Entlein.

14. Februar 2021

Warum ich doch weiter mache

Als am letzten Wochenende die Rummelsburger Bucht geräumt wurde, war das für mich persönlich wie ein Schlag in die Magengrube. Was mich gestört hat war nicht, dass die Obdachlosen ins Warme gebracht wurden, sondern die Art und Weise wie das geschehen war. Entgegen der offiziellen Verlautbarungen ohne jede Vorankündigung und zu einem Zeitpunkt (Freitagabend um 17.00 und aktiv gegen 00.00 in der Nacht) an dem jegliche Gegenwehr praktisch unmöglich war. Nach offizieller Darstellung sind die Leute die dort gelebt haben und welche die Fläche tatsächlich als ihr Zuhause betrachtet haben alle freiwillig und dankbar vom Platz gegangen und ein Teil habe das Angebot in Hostels zu gehen angenommen. Das dem nicht so war, könnt Ihr in dem unten stehenden Video sehen. Da haben sich die Betroffenen selbst zu der Räumung geäußert.


Auch das die Proteste gegen die Räumung als "zynisch" betrachtet wurden kann ich mir nur so erklären, dass der Sinn des Protests nicht verstanden wurde. Es ging nicht gegen die Unterbringung von Obdachlosen in Hostels (was wirklich sehr begrüßenswert ist), sondern gegen die Art und Weise wie die Rummelsburger Bucht geräumt wurde.

17. Januar 2021

Buchempfehlung - Der Sandler

Der Sandler
Ich habe längere Zeit als Obdachloser auf den Straßen Berlins gelebt. Mir ist es, als einer von wenigen, gelungen, den Weg zurück in ein normales Leben zu finden. Heute helfe ich Obdachlosen auf vielfältige Weise. 

Als Markus Ostermair mich bat mir sein Buch “Der Sandler” zum lesen schicken zu dürfen, hatte ich ganz ehrlich keine Lust dazu und sagte mehr aus Höflichkeit zu. Mein Verdacht war, dass wieder jemand, der mal einen oberflächlichen Blick auf Obdachlose geworfen hat, nun meint das Thema zu kennen und sich nun bemüssigt fühlt ein Buch darüber zu schreiben. 

Umso mehr war ich überrascht, als ich das erste Viertel des Buches gelesen hatte. Ich war aufgewühlt und ich fühlte mich nicht gut. Markus Ostermair war es auf diesen wenigen Seiten gelungen, dass ich mich wieder emotional als Obdachloser fühlte. Es war wie damals, als ich meine Tage in ewiger Tristesse, in ständiger Gefahr, alkoholabhängig, bitter arm und voller Ängste auf der Straße verbrachte. Die kleinen Erfolge und Fortschritte die man manchmal erreicht hatte, waren in ständiger Gefahr im nächsten Moment wieder verlustig zu gehen. 

Bei meinen Vorträgen über Obdachlosigkeit versuche ich ständig, genau diese Gemengelage von Gefühlen an meine Zuhörer zu vermitteln. Es ist mir, im Vergleich zu Markus Ostermair, immer nur sehr rudimentär gelungen. Und dies obwohl ich das Leben auf der Straße aus erster Hand kenne. Auch aus literarischer Sicht, ist dieses Buch extrem gut gelungen. 

Wer wissen möchte wie sich der Lebensalltag eines obdachlosen Menschen anfühlt, dem sei das Buch “Der Sandler” wärmstens anempfohlen. 

22. November 2020

Horst - Die unendliche Geschichte...

Horst vor ein paar Tagen vor
dem Berliner HBF

 ...oder das Totalversagen des Hilfesystems.

Ich hatte schon mehrfach über Horst berichtet. Meinen ersten Bericht findet Ihr hier. Damals wurde Horst in der Nacht von einer Gruppe Jugendlicher überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt. 
Etwas später von der Berliner Stadtmission, aufgrund fehlender Kostenübernahmen aus einem Übergangshaus einfach wieder auf die Straße geworfen. Mein damaliger Bericht ist hier zu finden. Menschlichkeit und Verständnis ist dort wohl eher nicht zu finden. Trotz aller permanent propagierten, christlichen Werte.

Ich persönlich habe dort Gleiches erlebt.
Mitten im Winter wurde ich schwer krank und im Rollstuhl sitzend von Heute auf Morgen dort raus geworfen. Drei Tage später wäre ich am Hauptbahnhof fast erfroren. Als man mich fand, hatte ich nur noch 29°C Körpertemperatur!
Und es gibt sehr viele Berichte dieser Art. Das Verhalten dieser Leute ist also programmatisch und leider kein Einzelfall.

Und die Geschichte geht weiter.
Horst hat den Sommer auf der Straße verbracht und wurde in dieser Zeit lediglich durch andere Obdachlose unterstützt.
Gestern rief mich ein ehemaliger Obdachloser an und berichtete mir Folgendes.
Horst hat körperlich und psychisch extrem abgebaut. Zudem ist er vermutlich altersdement. Er braucht Hilfe, wenn er zur Toilette möchte und ist kaum noch in der Lage sich selbst bei nur einfachsten Dingen zu helfen.

5. April 2020

"Zehn Euro für jeden Obdachlosen" - Was meine Helferinnen dazu schreiben

Jenny und Nina
Gestern war ich mit Jenny und Nina Goos unterwegs um Eure Spenden an die obdachlosen Menschen in Berlin zu verteilen.
Wir hatte uns früh am Morgen getroffen, vorher Geld zusammen gelegt und dann 80 Brötchen mit jeweils Käse, Wurst und einem Salatblatt zu belegen. Zusätzlich haben wir noch Eier hart gekocht.
Gegen 11.00 Uhr machten wir uns auf dem Weg und übergaben den Obdachlosen einen Zehn-Euro-Schein, zwei lecker belegte Brötchen und ein hartgekochtes Ei.
Die Menschen da draußen haben sich unglaublich gefreut. Nach meinem Dafürhalten fast mehr über meine sehr charmanten Begleiterinnen als über die Spenden...:-)
Alles in Allem war es eine sehr gelungene Aktion.
Am Ende bat ich die Beiden mir einen Artikel über ihre Eindrücke zu schreiben. Hier nun ihre Berichte.